Gae Aulenti

Mailand, Italien

Die italienische Designerin und Architektin Gaetena “Gae” Aulenti (1927-2012) wurde in der Stadt Palazzolo dello Stella in der Nähe von Triest geboren. Den Wünschen ihrer Eltern zum Trotz, studierte sie Architektur an der Politecnico di Milano und schloss 1954 als nur eine von zwei Frauen in einer Klasse von 20 ab.

Von 1955 bis 1965 war Aulenti als Mitarbeiterin und künstlerische Leitung beim Architekturmagazin Casabella tätig. In dieser Zeit war sie aktive Befürworterin der neoliberalen Bewegung und Verfechterin des Wiederauflebens traditioneller Motive und individuellen Ausdrucks, die in den Jahren vorherrschenden Modernismus nur ungern gesehen wurden.

Ihre weitreichende Arbeit deckte Industriedesign und Ausstellungsgestaltung ab, sowie Möbel, Grafik, Bühnenbild, Beleuchtung und Innenarchitektur. Mit Fortschreiten des 20. Jahrhunderts wurde sie eine führende Stimme des Postmodernismus. Ihr Werk wurde in der bahnbrechenden Ausstellung Italy: The New Domestic Landscape 1972 im MoMA ausgestellt. Hier wurden auch Arbeiten von Talenten wie Mario Bellini, Joe Colombo, Ettore Sottsass und Superstudio ausgestellt, um nur einige zu nennen.

Aulentis Karriere in der Architektur ist erstaunlich. Sie rettete eine große Anzahl an Gebäuden, die vernachlässigt wurden, oder denen der Abriss drohte, um sie umzufunktionieren. 1980 erhielt sie den schwierigen Auftrag, den alten Bahnhof Gare d’Orsay in Paris im Beaux-Arts neu zu gestalten. So entstand das berühmte Musée d’Orsay. Mit diesem Projekt schloss sie die architektonische Lücke zwischen dem Louvre und dem Pompidou Centre, indem sie ein höhlenartiges, weites Interieur für das Museum entwarf. Als das Musée d’Orsay 1986 eröffnete, wurde es von vielen Kritikern als zu radikal empfunden. Aulenti hingegen verwies auf die vielen tausenden Besucher, die täglich vor dem Museum Schlange standen.

Kurz darauf nahm Aulenti größere Neugestaltungen von Museen entgegen, darunter das Musée National d’Art Moderne im Centre Pompidou (1982-85), das Palazzo Grassi in Venedig (1985-86) und das neue Asian Art Museum in San Franciso (1996-2003). Weitere architektonische Errungenschaften waren der Santa Maria Novella Bahnhof in Florenz (1990), der Palazzo Italia im EXPO in Sevilla (1992), die Restauration des Scuderie Papali im Quirinale in Rom (1999), die Renovierung des Piazzale Cadorna in Mailand (2000), die Museo und Dante Bahnhöfe der U-Bahn-Linie 1, die Neugestaltung des Piazza Cavour und Piazza Dante in Neapel (1999-2002), das Catalan Museum of Art in Barcelona (1985-2004), die Restaurierung des Palavela in Turin für die Winterolympiade von 2006, das  Istituto Italiano di Cultura in Tokio (2006) und die Restaurierung des Palazzo Branciforte in Palermo (2011).

Aulenti wurde regelmäßig von großen internationalen Firmen, darunter Artemide, Banca Commerciale Itliana, Fiat, Ideal Standard, Knoll International, Louis Vuitton, Martinelli Luce , Olivetti  und Pirelli , mit der Konzeption von Möbeln, sowie mit Branding und Innenarchitektur Projekten betraut. Zu den ikonischen Designs von Aulenti zählen die Pileino Lampe für Artemide (1972); die Giova Lampe (1964), der Tavolo Con Ruote Tisch (1980), und der Tour Tisch (1993) für Fontana Arte; der Sgarsul Schaukelstuhl (1962) und der Locus Solus Stuhl (1963) für Poltranova ; sowie der April Klappstuhl (1964) und der Sanmarco Tisch (1984) für Zanotta. Viele ihrer Designs werden heute noch produziert.

Im Laufe ihrer Karriere erhielt Aulenti viele Preise, darunter 1980 den Ubi Preis für Bühnenbild, 1983 die Architekturmedaille der Academie d'Architecture in Paris, 1984 den Josef Hoffmann Preis der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien, 1987 den französischen Chevalier de la Légion d’Honneur, 1991 den Praemium Imperiale für Architektur und 1995 das Bundesverdienstkreuz der Republik Italien.

Aulenti verstarb 2012 im Alter von 85 Jahren. Auch heute noch ist sie eine einflussreiche Figur, die innerhalb ihres Berufs beachtliche Fortschritte für Frauen erzielte.

 

 

*Fotos mit freundlicher Genehmigung von Archivo Gae Aulenti, Artemide, Martinelli Luce, Zanotta