Die Turiner Messe Operae bietet neue Lösungsansätze für zeitlose Fragen der Designbranche


Why Design?

Von Carlotta Trevaini

Welche Zwecke kann Design erfüllen? Welche Botschaften vermittelt es? Und wie können die Werte unserer Gesellschaft durch Design gespiegelt werden? Kuratorin Alice Stori Liechtenstein geht diesen Fragen auf der diesjährigen Ausgabe der Operae nach, die den passenden Titel „Why Design“ (Warum Design?) trägt.

Operae ist eine unabhängige Veranstaltung für zeitgenössisches Design, das seit nunmehr acht Jahren im Turiner Lingotto stattfindet. Das Lingotto ist eine jahrhundertealte ehemalige Fiat-Fabrik, die in den 1980ern von Renzo Piano in ein Kulturzentrum verwandelt wurde. Mit jedem Jahr wächst das Aufsehen um Operae, das wie auch andere jährlich wiederkehrende Messen, Galerien und Designern eine Plattform bietet, um einem Publikum aus Käufern, Journalisten und Liebhabern neue Arbeiten zu präsentieren. Der wachsende Erfolg ist jedoch größtenteils darauf zurückzuführen, wie Operae sich von der Konkurrenz abhebt: Jedes Jahr entwickelt ein Gast-Kurator ein provokantes Thema, welches die geladenen Teilnehmer in ihren Ausstellungen umsetzen müssen. Das Programm wird von einer Reihe an Vorträgen und Workshops begleitet. Außerdem gibt es ein Kommunikationssystem, das Begegnungen zwischen Unternehmen erleichtert. Diese Mischung aus kuratorischem Fokus und Geschäftsmöglichkeiten führt zu der positiven Atmosphäre, durch die sich Operae auszeichnet.

In diesem Jahr waren im Ausstellungsbereich der Galerien 14 Aussteller aus Italien und anderen Ländern vertreten, darunter Galleria Luisa delle Piane, Great Design Gallery und Swing Design Gallery. Sie zeigten eine abwechslungsreiche Auswahl an zumeist konzeptionellen Luxus-Design-Objekten, die in kleinen Auflagen und häufig in Handarbeit produziert wurden. Obwohl sich der jeweilige Blick auf Ästhetik und Funktion von Galerie zu Galerie unterschied, haben sie doch allesamt das umfassende und tiefgreifende Interesse innerhalb der zeitgenössischen Designszene bekräftigt, nämlich Handwerkstraditionen, modernste Technologie und soziales Bewusstsein miteinander zu verbinden.

Für unabhängige Designer, die ihre Entwürfe in Eigenherstellung umsetzen, gab es auf der Operae einen getrennten Bereich. Die Arbeiten dieser Nachwuchstalente hatten zwar günstigere Preise als jene der Galerien, als Gruppe zeichneten sie sich jedoch mit einer ebenso großen Leidenschaft für die Herstellung ihrer anregenden Stücke auf. Das Vermächtnis traditioneller, italienischer dekorativer Künste kam in den Arbeiten von 4P1B, Portego, Stories of Italy und Zpstudio. auf wundervolle Weise zum Ausdruck. Andere widmeten sich aufregenden Experimenten: hierzu zählen die intensiven traumartigen Lichtinstallationen von Alice Valfrè, die Pop-Neuinterpretationen antiker Zimmerbrunnen von Arthur Hoffner, die zarte, parfümierte Beleuchtung und Dekoration von Astrid Luglio und die „abergläubischen“ Spiegel aus mundgeblasenem Glas von Dafi Reis Doron.

Medusa entworfen von Elena Salmistraro, hergestellt von Trakatan und präsentiert von Camp Gallery für PHM auf der Operae 2017 Mit freundlicher Genehmigung von Operae
Allgemein ist die Liste an herausragenden Projekten unabhängiger Designer sehr lang: Love Me Love Me des Mailänder Kollektives Mamarocket montierte Arbeiten mehrerer Studios (Serena Confalonieri, Foro Studio, Reiecta, Sovrappensiero und Dozen in Zusammenarbeit mit Marco Ripa). Jedes dieser Stücke wurde entworfen, um sich für das Recht, zu lieben und geliebt zu werden, einzusetzen. Das in Eindhoven ansässige, von dem italienischen Designer Francesco Pace geleitete Studio Tellurico beleuchtete in seiner Familiar Stranger Kollektion die Eigenarten des menschlichen Gehirns. Die Serie aus handgeschnitzten, unbestimmten Objekten, basiert auf Hochgeschwindigkeitsaufnahmen vertrauter Dinge in Bewegung, die für das bloße Auge nicht erkennbar wären. Das Gehirn des Betrachters versucht  instinktiv, eine Bedeutung zu finden. Dies führt zu einer Auseinandersetzung mit dem Unbehagen, das kognitive Dissonanz mit sich bringt. Schließlich spielte Nadja Zerunian von zerunianandweisz mit ihrem Set aus meisterhaft gearbeiteten und wundervoll zusammengestellten Tableaus, bestehend aus gefährlichen und eventuell giftigen Bestandteilen, mit der Verschmelzung von Schönheit und Güte.

Seit 2014 stellt das "Piemonte Handmade" (PHM) einer der wichtigsten Beiträge der Operae-Messen dar. Für dieses Programm wird eine Gruppe aus Galeristen, Designbüros und Piemonter Kunsthandwerkern eingeladen, um gemeinsam eine neue Designkollektion aus Sammlerstücken zu kreieren. Die diesjährigen zehn Teams präsentierten folgende Höhepunkte: Chest of Wonders, eine exklusiv gepolsterte Bank mit Einlegearbeiten und Harlekin-Muster, entworfen von Matteo Cibic, hergestellt von DOC und präsentiert von Secondome Gallery, sowie Medusa, ein lederbezogener Hängesitz voller Details, entworfen von Elena Salmistraro, hergestellt von Trakatan und präsentiert von Camp Gallery. Aber im Grunde genommen waren alle PHM-Projekte fabelhaft.

Wir haben mit unserer Freundin, der Kuratorin Stori Liechtenstein, gesprochen, um ihr zu dieser fantastisch gestalteten Ausstellung zu gratulieren und um sie zu fragen, ob sie mit dem Resultat zufrieden ist. „Mir gefällt diese Ausgabe der Operae sehr“, erzählt sie uns. „Es ist der Messe wirklich gelungen, zu zeigen, wie vielfältig Design sein kann und dass wir wirklich mehr als nur eine Definition für diese Disziplin benötigen. Die Unterscheidung zwischen Kunstobjekten und Designobjekten ist komplett theoretisch - sobald sie sich in unseren Wohnräumen befinden, funktioniert die Zusammenführung von Design und Kunst ganz wunderbar und es findet ein Austausch statt. Objekte sind schließlich ein Mittel, um eine Geschichte zu erzählen. Ich persönlich freue mich darauf, mehr mit Galerien zusammenzuarbeiten.“

 Ebenso wie die im letzten Jahr von Annalisa Rosso kuratierte Messe, haben wir die dynamische Mischung aus bekannten und unbekannten Designern, Konzept und Kunsthandwerk sehr genossen. Wir warten mit Spannung darauf zu erfahren, wer nächstes Jahr Kurator sein wird.

  • Übersetzung von

    • Annika Hüttmann

      Annika Hüttmann

      Annika ist umgeben von skandinavischem Design zwischen Norddeutschland und Südschweden aufgewachsen. Für ihr Literaturstudium zog sie nach Berlin und entdeckte dort ihre Leidenschaft für deutsche Vasen aus den 1950ern-70ern, von denen sie inzwischen mehr als 70 Stück besitzt.

  • Text von

    • Carlotta Trevaini

      Carlotta Trevaini

      Carlotta kommt aus Turin in Italien und ist tatkräftiges Mitglied in unserem wunderbaren Sourcing Team. Sie ist außerdem ein großer Fan von Urban Art und Kaffee. Bevor sie 2015 nach Berlin kam, war sie in Australien auf Entdeckungsreise und studierte Politik und Wirtschaft in Italien und Süddeutschland. Obwohl sie den Ausblick auf die Alpenkette vermisst, liebt sie Berlins spannende Kreativszene und die hier herrschende „entspannte, multikulturelle Atmosphäre“.

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