Die Core Collection von Elbowrkshp verrät viel über das Outback Zentralaustraliens


Ort des Geschehens

Von Wava Carpenter

“Alice Springs gleicht einer Insel, umgeben von einem Ozean der Wildnis”, so beschreibt die Designerin und Mitbegründerin vonElbowrkshp, Elliat Rich, die kleine Stadt im Herzen Australiens. Dort lebt und arbeitet sie gemeinsam mit ihrem Mann, James Young. „Der Ort ist wie ein Mikrokosmos der Psyche unseres Landes“, fügt sie hinzu, „der, neben Augenblicken der Versöhnung, mit dem fortdauernden Prozess der Kolonialisierung kämpft und nach einem vertieftem Verständnis für Kulturvielfalt und uralter Erdgeschichte strebt.“ Das Zuhause von Elliat und James befindet sich, so mag manch einer behaupten, mitten im Nirgendwo. Diese außergewöhnlichen Umstände aber sind es, die ihren ethisch motivierten Gestaltungsansatz auf eine Art und Weise antreibt, die die große weltweite Bewegung hin zum bedeutendem Design wiederspiegelt. 

Die gebürtige Pariserin Elliat und der in Sydney geborene James haben sich 1998 am Sydney’s College of Fine Arts kennen und lieben gelernt. In den frühen 2000er Jahren ritten sie knapp ein Jahr lang auf Kamelen quer durch Australien. Auf ihrer Reise verliebten sie sich in Alice Springs und zogen 2004 dorthin. Durch die jahrhundertealte Handwerkkunst seiner Familie in Sydney inspiriert, pflegt James seitdem eine hochqualitative Schusterei. Elliat hat sich mittlerweile als Design- Newcomerin des Landes etabliert und arbeitet disziplinübergreifend von Produktdesign über Kunst im öffentlichen Raum. Zu ihren Klienten zählen indigene Organisationen, Regierungsinstitutionen und private Unternehmen. Das Paar gründete 2014 Elbowrkshp als Ladenfläche und Produktionsstudio, die Projekten gewidmet sind, die “etwas über Zentralaustralien aussagen und die Gleichstellung zwischen Menschen als auch artübergreifend fördern“, so die Designer.

Core Collection dient als gutes Beispiel für das narrative, sozialverantwortliche Werk von Elbowrkshp und umfasst drei einfache Gefäße aus Sandstein und Messing. Wie Stillleben erstrahlen sie in ihrer nüchternen geometrischen Form und stehen im Einklang mit vielen modernen Designs von heute. Die Geschichte dieser Kollektion aber geht über Mode weit hinaus. Ihre Ausführung macht sie zu einem Mikrodenkmal ihrer Geburtsstätte. Umgangssprachlich wird Zentralaustralien als „rotes Zentrum“ bezeichnet, da breite Streifen des Landes einige ockerfarbene Sandsteine aufweisen. Dieses geologische Phänomen ereignete sich vor einer halben Milliarde von Jahren, als die Kontinente dieser Erde noch miteinander verbunden waren und große Teile Australiens noch unter einem Binnenmeer lagen.

Dieses Sedimentgestein steht als Symbol für die trockene und umwerfende Landschaft des Outback und spielt in der regionalen Folklore eine große Rolle, im Guten wie im Schlechten. Es trieb auch die Steinindustrie der Gegend voran, seit den Zeiten früher europäischer Besiedelung bis hin zu den letzten Jahrzehnten, als es günstiger wurde, eingeführte Baumaterialien zu verwenden.

Uluru, der berühmte Sandstein-Monolith südwestlich von Alice Springs, ist für die Urbevölkerung Australiens heilig und begann sich vor 550 Millionen Jahren zu formen Photo © Pulv
Elliat und James wollten unbedingt etwas entwerfen, das nur aus Alice Springs stammen könnte.  So erschlossen sie die Fähigkeiten regionaler Handwerker, dessen Expertise oft nicht wertgeschätzt wird. „Um das uralte Grundgestein abzubauen und zu schneiden“, erklärt Elliat, „arbeiteten wir bei einem Steinmetz zweiter Generation. Als Ladenfläche diente ihm das Gehäuse eines ehemaligen Schlachthofs, das in den 1980ern unter dubiosen Umständen abgebrannt ist. Dann baten wir Probenehmer, die im Bergbau arbeiteten, einen Handwerkerhut aufzusetzen und jedes einzelne konzentrische Stück auszubohren. Ein halb-pensionierter Maschinenschlosser und Dreher mit einer Leidenschaft für Schwermaschinerie teilte anschließend mit einem kleinen regional hergestellten Werkzeug die kleinen runden Gefäße aus. Die umfangreiche Weiterverarbeitung und Verzierung nahm James in den Räumlichkeiten von Elbowrkshp vor.“

Aus Naturstein handgefertigt ist jedes Gefäß einzigartig und erzählt seine Herstellungsgeschichte. „Das Projekt spricht zu der Landschaft dieser Gegend und zu der dürftigen regionalen Produktions- und Ressourcenstätte, die einen Teil der Designgeschichte Australiens ausmachen“, so Elliat. „Mit der Core Collection wollten wir Werke herstellen, die unsere eigentümliche Situation akkurat wiedergibt. Ihre Endformen spiegeln diesen Ort wieder und erlauben uns, einen Beitrag zur dynamisch wachsenden Geschichte Zentralaustraliens zu liefern und somit etwas Größeres aufzubauen. Wir wollen das regionale Erbe und den Ursprung des Landes (buchstäblich) gründlich untersuchen.“

Obwohl Elliat an einem entlegenen Ort der Welt in Ruhe arbeitet, wird sie oft gebeten die Geschichten, die ihren Werken zu Grunde liegen mit nationalem und internationalem Publikum zu teilen. Über ihr Geschick für Formen und Materialien hinaus, ist sie eine Vorbildfigur für die nachhaltige Verwendung von Design. So ist sie einfach. „Wenn ich meine Erziehung beschreiben müsste, so würde ich behaupten, sie wäre progressiv“, sagt sie. „Hausarbeit und Familienangelegenheiten wurden in etwa gleichermaßen unter uns aufgeteilt. Meine Brüder und ich wuchsen mit einem Bewusstsein für Ungleichheit und Ungerechtigkeit auf. Für Menschenrechte marschierten wir über Brücken, hupten in Unterstützung von Streikpostenketten und diskutierten über die Werte verschiedener Religionen. Ich kann mich noch genau entsinnen, wie ich dachte, dass Design die Welt verändern könnte. In einer Kultur, die sich so stark durch Materialität ausdrückt, muss die Rolle von Design die Nutzung dieser dinglichen Sprache sein, um Chancen für Veränderung zu bieten. Ich habe gelernt, dass sich die Welt ständig verändert, mit oder ohne einem selbst.“

  • Text von

    • Wava Carpenter

      Wava Carpenter

      Seit ihrem Studium in Designgeschichte an der Parsons School of Design hatte Wava schon in vielen Bereichen der Designkultur den Hut auf: sie lehrte Designwissenschaft, kuratierte Ausstellungen, überwachte Auftragsarbeiten, organisierte Vorträge, schrieb Artikel und erledigte alle möglichen Aufgaben bei Design Miami. Wava lässt den Hut aber im Büro – auf der Straße bevorzugt sie ihre Sonnenbrille.