Drei Fragen an die nachhaltige 19 Greek Street Galerie


Trends des bewussten Konsums

Von Anna Carnick

Heute gibt es erfreulicherweise eine Vielzahl an aufregenden Designstudios und Galerien. Durch ihren kompromisslosen, ethischen Ansatz fällt jedoch die Londoner 19 Greek Street Galerie besonders auf. Nachhaltigkeit, Lebensfreude und tolles Design sind die Schlüsselwerte des 19 Greek Street Teams. Ihre stets entzückenden Kollektionen stellen eine besondere Mischung aus wunderschönen Vintage und oftmals hochmodernen Contemporary Stücken dar und sind aus der Designwelt nicht wegzudenken.

Um uns zu informieren, haben wir uns neulich mit Rachael Moloney, der stellvertretenden Leiterin von 19 Greek Street, getroffen. Die Highlights des Gesprächs führen wir im Folgenden auf.

Anna Carnick: Ein Hauptgrund, warum wir 19 Greek Street so sehr lieben, ist die wunderschöne Art und Weise, wie die Galerie die Welten von Vintage und Design zusammenführt. Wir empfinden dies als allgemeine Richtung des globalen Designs. Die beiden Welten nähern sich immer mehr, das finden wir sehr aufregend. Eine Zeit lang gab es jedoch eine klare Unterteilung. Viele Menschen, vor allem der Neuzuwachs der Designwelt, fühlen sich etwas vom Contemporary Design eingeschüchtert. Wie kann man Eurer Meinung nach Menschen, die eher Vintage bevorzugen, Contemporary Design nahe bringen? Wo liegen hierbei die Schwierigkeiten und welche Gemeinsamkeiten teilen die beiden Designrichtungen? 

Rachael Moloney: Ich denke, dass sich Konsumenten und Sammler des Vintage Designs oft von Nostalgie leiten lassen, die sehr verführerisch sein kann. Ältere Designs, die von Kritikern und dem Designmarkt als „wichtig“ empfunden wurden, werden wohl historisch (wie es z.B. bei vielen modernistischen Designs der Fall ist) in den Köpfen der Menschen mehr Wert haben, als neuere Designs. Viele experimentelle Designs bleiben im Sinne der „Massenmeinung“ immer noch unberührt.

Um Menschen zu ermutigen sich für mehrere Design-Epochen zu öffnen, muss man meiner Meinung nach erst einmal generell mehr Mut zum bewussten Konsum beweisen. Wie sehr möchte man als Konsument (der die freie Wahl hat), individuellen Geschmack mit dringlichen Themen wie Nachhaltigkeit und ethischer Produktion verbinden? Die Wahl von Vintage Design ist vermeintlich die nachhaltigste (da man die Produktion von neuem „Zeug“ nicht unterstützt). Entscheidet man sich jedoch für hochmodernes Contemporary Design, fördert man möglicherweise eine bahnbrechende neue Technologie oder Innovation, wie z.B. Biomimikry, welches zukünftig Nachhaltigkeit als Design-Ziel anvisiert.

Lasst uns einen Werte-orientierten Ansatz wählen, wenn es um Objekte geht, mit denen wir uns umgeben. Etwas schwieriger wird es in Hinsicht auf die Eigenschaften, die Vintage und Contemporary Design teilen, da die Ästhetik und der konzeptuelle Charakter des Contemporary Designs oft prozessiert wird und nicht auf traditionellen Formen beruht. Wenn es jedoch um Objekte für unsere Umwelt geht, sind modernistische Ideen für „Form folgenden Funktionen“ und was „gutes Design“ ausmacht, wahrscheinlich tiefer in uns verwurzelt als wir dachten. Objekte, die in die Nische „ist es Kunst/ist es Design?“ fallen, sind vielleicht etwas zu dominant im Ausdruck des Contemporary Designs und schrecken somit die Konsumenten von Design ab. Beim Einrichten unserer persönlichen Lebensräume wurde jedoch immer von der Kombination des Funktionellen und des Dekorativen, des Poetischen und des Praktischen, Gebrauch gemacht.

AC: Was ist Euer strategischer Ansatz, der das Gesamtvorhaben im Blick hat, Design-Konsumenten davon zu überzeugen, dass ethisches Design-vor allem ethisches Contemporary Design- als Sammelobjekt gilt?

RM: Sich von festgelegten Trends des Sammeln und Kaufens zu lösen, kann für jeden von uns eine Herausforderung sein. Wenn Konsumenten aber ermutigt sind mehr über Nachhaltigkeit der zu erwerbenden Alltagsgegenstände nachzudenken, so auch bei den konzeptionell geführten „Sammlerstücken“, dann ist es voll und ganz realisierbar und könnte zu einem neuen Trend des nachhaltigen Denkens führen. Indem man ganzheitliche Ansätze für einen „ethisch verantwortungsbewussten Lifestyle“ präsentiert (auch die Idee hinter der 19 Greek Street Art of Progress Ausstellung im Jahr 2015) fördert man sicherlich diese breitere Perspektive.

Für unsere neueste Ausstellung nutzten wir einzelne Designobjekte aus unserer Kollektion und integrierten diese mit Kunstobjekten. Ziel war es sich die Zeit zu nehmen, über unsere Umwelt und unsere Beziehung zu ihr nachzudenken. Die Botschaft bleibt dieselbe: lasst uns einen Werte- orientierten Ansatz wählen, wenn es um Objekte geht, mit denen wir uns umgeben.

AC: Welche sind aus Deiner Sicht die drei aufregendsten, ethisch motiviertesten Contemporary Designstudios- und warum gerade diese?

RM: Persönlich interessiere ich mich sehr für die Konzepte, die durch Noam Dover und Michal Cedarbaum in ihren Werken genutzt werden –verschiedene Herstellerkulturen und -prozesse, das Herausfordern von tief verwurzelten Systemen und Grenzen- das alles resultiert in außerordentlich schönen und ästhetisch interessanten Werken. Wenn es um die Form geht, denke ich an deren Hacking the Mould Vase (auch Teil unserer kürzlichen Collectors’ Club Ausstellung), die eine zentrale Aussage über Subvention contra Konvention, Einschränkung contra Freiheit und den natürlichen Lauf vermittelt. Mit dem Fokus auf ihrem Wohnort und ihrer Herkunft -die Designer stammen aus Tel Aviv und sind kürzlich nach Stockholm gezogen- werden auch drängende Themen, wie Landespolitik in ihren Werken angegangen, was ich persönlich sehr bewundernswert finde.

Hacking the Mould Vasen von Noam Dover & Michal Cederbaum Image courtesy Noam Dover & Michal Cederbaum

Dann gibt es noch Jacob Douenias und Ethan Frier. Die beiden stellten 2015 das Projekt Living Things in der Matratzenfabrik in Pittsburgh vor, indem sie die Nutzung von erneuerbaren Rohstoffen im Design untersuchten (in diesem Fall Algen). Als aufkommende Technologie sind die Biotechnologie und Photovoltaik (die Erzeugung von elektrischem Strom aus Sonnenlicht) sehr aufregend. In der gleichen Weise wurde vor ein paar Jahren der Moss Table von ein paar Forschern der Universitäten Cambridge und Bath in Großbritannien entwickelt. Ich glaube dieser befindet sich immer noch im Konzeptstadium.

Und letztlich: Emma Pillotons Project H, ermutigt junge Menschen, vor allem Mädchen, in projektbezogenen Design-Initiativen und in der Gemeinschaftsbildung mitzuwirken. Das Projekt ist sehr inspirierend und konzentriert sich auf kommende Generationen, der Zukunft der Designausbildung und recht buchstäblich, dem Ausbau von Gemeinschaften.

 

Vielen Dank Rachael. Mehr über 19 Greek Street und ihre atemberaubende und ethisch vertretbare Kollektion gibt es hier.

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    • Anna Carnick

      Anna Carnick

      Als ehemalige Redakteurin bei Assouline, der Aperture Foundation, Graphis und Clear feiert Anna die großen Künstler. Ihre Artikel erschienen in mehreren angesehenen Kunst- und Kulturpublikationen und sie hat mehr als 20 Bücher herausgegeben. Sie ist die Autorin von Design Voices und Nendo: 10/10 und hat eine Leidenschaft für ein gutes Picknick.
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    • Marco Lehmbeck

      Marco Lehmbeck

      Aufgewachsen ist Marco zwischen Seen und Wäldern in der Nähe von Berlin. Er studiert Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim sowie Fotografie in Berlin. Marco ist Organisationsmitglied des Immergut Musikfestivals für Indie- und Poprock, liebt Backpacking, Club Mate und Avocados. Und er trägt immer einen Hut.