Design Ratschläge vom bescheidenen Modernisten Josef Frank


Mach, was du willst!

Von Wava Carpenter

Klar, mittlerweile lieben wir alle den Mid-Century Modernismus. Was kann Einem auch nicht an fein zulaufenden, mit Messing besetzten Holzbeinen gefallen, die an eleganten, niedrigen Stühlen angebracht und mit genoppten Stoffen bezogen sind? Oder dem Sperrholz von Charles und Ray Eames? Oder der eleganten Rauheit des verchromten Rohrstahls von Marcel Breuer? Man darf trotzdem nicht vergessen, dass diese so verehrten heutigen Formen - die in den 1930ern bis 60ern geschaffen wurden - inmitten einer hitzigen Atmosphäre entstanden. Darüber hinaus wurden viele der Prinzipien der modernistischen Meister, wie Le Corbusier und Mies van der Rohe, denen wir unsere meistgeschätzten Klassiker verdanken, in den Hintergrund gedrängt. Während wir die geschichteten, vielseitigen, von Hand gefertigten und sehr persönlichen Inneneinrichtungen wiederaufnehmen, schwinden die standardisierten Bauhaus-Ideen zunehmend.

Vielleicht ist ja der wahre Schutzpatron des Contemporary Designs jemand wie Josef Frank. Obwohl er oft übersehen wird, sind die fundamentalen Konzepte des österreichisch-schwedischen Architekten und Designers mehr denn je zutreffend.

Frank argumentierte, dass „nichts Falsches dabei sei, Altes und Neues zu mischen, verschiedene Einrichtungsstile, Farben und Muster miteinander zu kombinieren. Alles was Ihrem Geschmack entspricht wird automatisch ein entspanntes Umfeld entstehen lassen. Ein Zuhause sollte nicht bis ins kleinste Details durchgeplant sein, sondern eine Zusammenführung von Dingen sein, die der Besitzer liebt und mit denen er sich heimisch fühlt.“ Lustig, wie diese Ansicht früher noch so irrsinnig klang und sich heute ganz normal anfühlt.

Frank war ein Modernist mit Herz, der sich nicht vor Verzierungen und Abwechslung fürchtete. 1885 in Österreich geboren, gehörte der Architekt zu der selben Generation wie die meisten bekannten Pioniere des modernistischen Designs, darunter Walter Gropius, Mies van der Rohe und Le Corbusier. So wie seine Zeitgenossen war er leidenschaftlich engagiert eine neue Ära zu formen, in der anerkannt wird, dass das Maschinenzeitalter neue Technologien und Lebensstile mit sich brachte, die wiederum einen Effekt auf das Design von Gebäuden und Innenräumen zur Folge hatten. Von 1910 bis in die frühen 1930er spielte Frank eine tragende Rolle in der Propagierung der modernistischen Bewegung in Wien und anderen Städten. Als das Hitlerregime regierte, immigrierte er nach Schweden, wo er bis zu seinem Lebensende als Designer bei der Einrichtungsfirma Svenskt Tenn tätig war und eng mit seinem Mentor Estrid Ericson zusammenarbeitete.

Zwischen den Weltkriegen veranstalteten leidenschaftliche Befürworter des Modernismus, darunter Le Corbusier, einige Konferenzen und Ausstellungen mit dem Ziel, für die Bewegung einen Katalog einheitlicher Prinzipien festzulegen. Hauptsächlich befürchteten sie die Rationalisierung des Wohnungsbaus - im Sinne von Stadtplanung sowie auch Innenausstattung. Josef Frank wurde eingeladen an diesen wichtigen Debatten teilzunehmen. Obwohl die Intention dahinter war, die neue Ära des Designs zu formalisieren, kristallisierte sich durch diesen Austausch schnell heraus, dass Frank nie zu einem strikten Modernisten werden würde.

Frank stimmte nicht mit dem Tenor der Modernisten überein und beharrte darauf, dass das Maschinenzeitalter ein dogmatisches, universales, funktionalistisches Programm brauchte, welches sich zusammengefasst durch reduzierte Formen, Hi-Tech-Materialien und keine Nutzung von Ornamenten auszeichnete. Während die meisten Modernisten einen "menschlichen" Ansatz entwickeln wollten, positionierte sich Josef Frank dagegen und beharrte darauf, dass Architekten keine Richtlinie entwickeln können, die auf jede Person, in jeder Situation zutrifft, vor allem wenn es um das Design von Häusern ginge. Eine derartige Orthodoxie würde nicht nur ungemütlich, sondern auch langweilig sein, so Frank

Gröna Fåglar pattern textile, designed 1940s by Josef Frank Courtesy of Svenskt Tenn
Frank war zudem der Meinung, dass moderne Designs einfach, geradlinig und praktisch sein sollten. Trotzdem glaubte er, dass diese modernen Konzepte nicht auf Charakter und Gemütlichkeit verzichten sollten. Er sprach sich für eine persönliche Note, Empfindsamkeit und Asymmetrie aus und stattete Räume mit auffälligen Bezügen, traditionalen Formen, unüblichen Ausrichtungen und bunten Dekorationen aus.

1958 schrieb Frank einen Manifest-ähnlichen Essay für das schwedische Magazin Form, in dem er seiner langjährigen Version des Modernismus einen Namen gab: Accidentism. Die Definition beschreibt Franks Glauben daran, dass zu stark durchdachte Designs beklemmend sind und dass die angenehmste Atmosphäre von jenen auszugehen scheint, die sich natürlich, beinahe zufällig, im Laufe der Zeit entwickelten. Der Essay ist ein längeres Zitat wert:

„Jeder Mensch braucht einen bestimmten Grad an Sentimentalität um sich frei fühlen zu können... Was wir brauchen ist Abwechslung und nicht stereotypische Monumentalität. Niemand fühlt sich wohl in einer erzwungenen Ordnung, selbst wenn diese mit Schönheit überdeckt ist. Deswegen stehe ich nicht nur für neue Regeln und Formen, sondern für eine radikale, andere Haltung gegenüber der Kunst.“ Mit verblüffender vorhersehherrischer Fähigkeit schießt Josef Frank gegen die totalisierenden Tendenzen von Einheitsgrößen, für die der konventionelle Modernismus stand. „Weg mit universalen Stilen, mit der Gleichstellung von Kunst und Inustrie. Weg mit dem ganzen System, dass unter dem Namen Funktionalismus bekannt wurde.“

Während seiner Lebenszeit überschatteten striktere Weggefährten von Frank seinen Beitrag zum Modernismus. Heute jedoch wird er als einer der einflussreichsten Designer des 20. Jahrhunderts geschätzt. Jemand der die Grenzen der funktionalistischen Ästhetik und der Ideologie vorhersah sowie den Weg zu einem organischeren, individuelleren – oder etwas gewagter formuliert - postmodernem konzeptionellen Design-Ansatz ebnete. Diese Design-Freiheit spüren wir heute am meisten.

Beenden wir den Text mit einem letzten Zitat von Frank, welches auch von gestern stammen könnte, denn es zeigt auf ganz wundervolle Weise die Einfühlsamkeit, welche sich hinter seinem Ansatz verbirgt: „Ein Zuhause sollte nicht nur eine effektive Maschine darstellen. Es sollte vielmehr Gemütlichkeit, Ruhe und Komfort ausstrahlen (dem Auge wohltun und die Seele stimulieren). Es gibt keine puritanischen Prinzipien in einer guten Innenausstattung.“

 

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    • Wava Carpenter

      Wava Carpenter

      Seit ihrem Studium in Designgeschichte an der Parsons School of Design hatte Wava schon in vielen Bereichen der Designkultur den Hut auf: sie lehrte Designwissenschaft, kuratierte Ausstellungen, überwachte Auftragsarbeiten, organisierte Vorträge, schrieb Artikel und erledigte alle möglichen Aufgaben bei Design Miami. Wava lässt den Hut aber im Büro – auf der Straße bevorzugt sie ihre Sonnenbrille.

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