Alle Blicke richten sich auf die neuen Werke von Maarten Baas in Carpenters Workshop


Baas ist zurück

Von Wava Carpenter

Über die letzten zehn Jahre wäre eine ernste Unterhaltung über den Stand zeitgenössischen Designs nicht komplett, würde der Name von Maarten Baas nicht aufkommen. Noch keine 40 Jahre alt, ist sein Platz innerhalb der Designwelt seit seinem Abschlussprojekt Smoke an der Design Academy Eindhoven im Jahr 2002 gesichert. Seitdem ist es dem Designer mit jedem seiner entworfenen Projekte gelungen, nicht nur seinen eigenen kreativen Weg, sondern auch die vorherrschende weite Designlandschaft wiederzugeben. Seine neue Kollektion Carapace—derzeit in der Carpenters Workshop in New York zu sehen — ist keine Ausnahme.

Smoke—eine Kollektion ikonischer Designstücke, gekonnt verkohlt und anschließend beständigkeitshalber lackiert—verkörpert den Moment direkt nach der Jahrhundertwende, als der Markt für Design Sammelstücke mit limitierter Auflage richtig abhob und all die festen Regeln, Design dem Massenmarkt und den Massenanfertigungen anzugleichen, sich in Luft auflösten.

 Dann gab es Clay, die Kollektion aus 2006, bestehend aus Sitzen, Tischen und mehr—alle in einem Lehm von leuchtender Farbkraft von Hand modelliert. Das Ergebnis waren Objekte, die eine Note kindlicher Freude trugen und gefühlt der symbolische Verweis für die zahlreichen Möglichkeiten in der vorherrschenden Produktion zeitgenössischen Designs waren— sowie für die Wiederbelebung handgemachter und noch nie dagewesener Möglichkeiten, die sich für die jungen Designer damals auftaten.

 Aber just zu dem Zeitpunkt, als diese bahnbrechende Überschwänglichkeit im Design ein breiteres Publikum anzog, verstärkten viele Anhänger modernistischer Prinzipien ihre Kritik: alles wäre elitär und inhaltslos. In 2008 stellte Maarten seine konfrontationsreiche Alien-hafte Chankly Bore Kollektion vor, für die damalige Superbrand Established & Sons. Dies passierte nur ein paar Monate vor dem globalen Wirtschaftszusammenbruch und sogar treue Baas Fans fragten sich, ob der Designer bereits jetzt zynisch geworden war. Ob diese tatsächlich seine Sichtweise war oder nicht, die Designwelt wurde sehr schnell sehr viel schwieriger für alle und viele glaubten der Zynismus wäre eine angemessene Reaktion.

Aber nicht alles war verloren. Diejenigen von uns, die die neue Richtung des Designs des 21sten Jahrhunderts begrüßten und neben ihrer Experimentierfreudigkeit auch das Storytelling und handwerkliche Innovationsprozesse erkannten, blieben ihr trotz dieser neuen Skepsis treu.

Dafür belohnte uns Baas im Folgejahr mit Real Time (2009), der schönsten und poetischsten Serie von Uhren in diesem Jahrhundert, in der Videos von gewöhnlichen Menschen, die Augenblicke wiederholt aufführen und so vorbeiziehende Minuten kennzeichnen. Im Jahr 2010 wurde Baas mit der Design Miami/ Designer of the Year Auszeichnung geehrt. Danach wurde es eine Zeit lang still um den Designer.

 In der Zwischenzeit liefen die Motoren der zeitgenössischen Designwelt weiter aber nicht mit dem selben Benzin, das sie vor einem Jahrzehnt noch hatte. Viele zeitgenössische Galerien sind mittlerweile geschlossen worden, während neue wiederum eröffnet haben—aber in einem geringeren Ausmaß, als wir es vor 10 Jahren noch wahrnehmen konnten. Die erfolgreichsten Galerien sind sogar gewachsen: Die Pariser Galerie Kreo hat jetzt eine Ausstellungsfläche in London. Die Carpenters Workshop, die in London startete, kann jetzt auch in Paris und New York besucht werden. Hierbei handelt es sich natürlich um Ausnahmen. Das momentane Geschäftsmodell für Designs mit limitierter Auflage lohnt sich für nur ein paar wenige, die sich zu den Glücklichen zählen können. Allerdings funktionieren traditionelle Modelle der Massenproduktion auch nicht mehr so gut. Demnach müssen junge Designer heute mit mehr Bedacht vorgehen, auch wenn sie eine Reihe Wege gleichzeitig ausprobieren und traditionelle Verträge mit großen und kleinen Brands eingehen während sie in Eigenproduktion arbeiten, interne Designprojekte in Angriff nehmen und Galerien für Präsentationsmöglichkeiten aufsuchen, sowie geförderte Installationen für internationale Design Events realisieren und ihre Werke über das Internet vermarkten. Viele schließen sich zusammen, um in gemeinsamer Anstrengung Mittel zu teilen und aus ihrer großen Anzahl heraus Kraft zu schöpfen. Meine inoffizielle Befragung zeigt, dass niemend sich sicher fühlt, wo das alles hinführen wird.

In dieser Atmosphäre von konstantem Wandel und aufreibendem Treiben, bleibt Baas ein wichtiger Prüfstein für die Designwelt. Nachdem er sich ein paar Jahren zurückgezogen hatte, scheint er plötzlich sehr beschäftigt zu sein. Neben seiner jüngsten Ausstellung im Carpenters, hat er dieses Jahr auch an einem handwerklichen Architekturprojekt in den Niederlanden gearbeitet und an einer schicken neuen Besteckkollektion für die Brand Valerie Objects mit Sitz in Belgien. Er wurde zu einem Mitglied der Dutch Royal Society of the Arts ernannt und ist ein offizieller „Botschafter“ für die 2016 Dutch Design Week. Am Salone werden im Via Savone neue Arbeiten zu sehen sein. Außerdem ist ein Besuch der Retrospektive in den Räumlichkeiten der Rossana Orlandi’s ein Muss. Hier präsentiert Orlandi die Clay Kollektion von Baas zu Ehren ihrer zehn jährigen Bestehungszeit.

Obwohl Baas seinen eigenen Weg geht—einer, der nur in dem neuen Millennium möglich ist—die Vielzahl der Maßstäbe, die er momentan betreibt, erinnert an das alte modernistische Sprichwort: dass das Werk eines Designers „alles von der Stadt bis zum Löffel“ ansprechen soll. Es scheint, als wenn das langsame Tempo bei dem Designer zu einer hohen Produktivität geführt hat—ein Paradigmenwechsel, der uns allen gut tun würde.

Die neue Kollektion bei Carpenters scheint diese Lektion ebenfalls zu unterstreichen. Carapace umfasst großzügig proportionierte Aufbewahrungsgegenstände, Stühle und Tische. Alle handgemacht, punktgeschweißt in Bronze und Stahl. Der Name verweist auf Schildkrötenpanzer und den Außenskeletten von Käfern und trägt zu der exquisiten Panzer Optik der Kollektion bei. Im Inneren weisen die Stücke erstklassig verarbeitetes Holz auf. Die Stühle sind mit Lux Kissen aus Apalka und Wolle versehen. Baas hat sein Real Time Projekt für Carapace wieder besucht und stellte sich diesmal selbst als Akteur in die Uhr, um die Zeit anzuzeigen. Was ich für mich mitnehme ist die Tatsache, dass Designer heute sich mehr von der flüchtigen, unvorhersehbaren äußeren Welt schützen müssen, weil die Poesie im Inneren liegt. Erschaffe für Dich selbst eine innere Oase, im Geist oder im Studio, um dort Deine Arbeit zu verrichten—und denkt daran, in der Ruhe liegt die Kraft.

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    • Wava Carpenter

      Wava Carpenter

      Seit ihrem Studium in Designgeschichte an der Parsons School of Design hatte Wava schon in vielen Bereichen der Designkultur den Hut auf: sie lehrte Designwissenschaft, kuratierte Ausstellungen, überwachte Auftragsarbeiten, organisierte Vorträge, schrieb Artikel und erledigte alle möglichen Aufgaben bei Design Miami. Wava lässt den Hut aber im Büro – auf der Straße bevorzugt sie ihre Sonnenbrille.