Bas Den Herder erweckt Entwürfe zum Leben und liebt seine Arbeit


Mit Freude hergestellt

Von Wava Carpenter

Bas den Herder befindet sich seit Jahren heimlich im Mittelpunkt der internationalen Designkultur—genauer gesagt seitdem Maarten Baas im Jahr 2004 die Welt mit seiner Where There’s Smoke Kollektion beeindruckte. Während Maarten die Ideen lieferte, befand Bas sich hinter den Kulissen und beaufsichtigte die Produktion und entwickelte die technische Seite ihrer Zusammenarbeit, welche bei darauf folgenden Kollektionen wie Clay, Sculpt, Real Time und Haphazard Harmony fortgeführt wurde. Auch heute noch, viele Jahre später, stellt Bas Maartens Arbeiten her. 

Im Jahr 2012 eröffnete Bas Den Herder Production House (DHPH), um Designs für andere Studios zu produzieren, darunter Bertjan Pot, Fabian Dumas, Nightshop und gt2P. Er arbeitet in den Niederlanden von seiner Bauernhof-Werkstatt auf dem Land aus und macht ungewöhnliche, lebendige Designs ausfindig, die von seinem technischen Fachwissen und praktischen Ansatz profitieren können, insbesondere wenn andere Hersteller daran scheitern, die Entwürfe umzusetzen.

Bas spricht mit Wava Carpenter über die Freude an seiner Arbeit.

 

Wava Carpenter: Wenn man Ihre Arbeiten der letzten Jahre betrachtet, dann scheint es so, als hätten sie ein natürliches Talent dafür, Designideen zu verstehen und zum Leben zu erwecken. Wie würden Sie Ihre Beziehung zu Designern beschreiben?

Bas den Herder: Im Grunde würde ich sagen, dass ich sehr technisch bin. Ich liebe Technik und herauszufinden, wie man Dinge herstellen kann. Ich liebe diesen ganzen Prozess wirklich sehr. Dabei ist es fast unwichtig, worum es sich handelt. Ich meine, ich mache ungern sinnlose Dinge. Aber wenn ein Design für mich Sinn macht, dann liebe ich es, herauszufinden was die beste Art ist, es herzustellen.

Technisch, ästhetisch und von Produktionsseite her möchte ich das Beste herausholen. Und das fällt dann auch mit dem zusammen, was der Designer will. Der Designer möchte, dass ihm jemand gegenüber sitzt, der ihn versteht, seine Ästhetik respektiert und Techniken finden kann, die sein Design zu gut wie möglich machen.

WC: Was ist der größte Antrieb für Ihren Ansatz – Materialien, Ästhetik? Geht es Ihnen auch um Effizienz und darum, kostengünstiger herzustellen?

BdH: Ja, das sind alles Faktoren. Für mich ist der Herstellungsprozess wie das Mischpult eines DJs—man kann Töne höher stellen, tiefer oder verzerren. Man arbeitet daran, den besten Mix zu finden. Ein Design kann ästhetisch wunderschön sein, aber wenn es zu teuer ist, es herzustellen, dann wird es nicht überleben. Wenn es einen wirklich einfachen, günstigen Weg gibt, es herzustellen, es aber hässlich aussieht, dann stirbt es auch. Man muss also an all diese Parameter denken und entscheiden, was optimal ist. Sobald man das hat, ist man fast am Ziel.

Vielen technischen Unternehmen fehlt diese Perspektive, weil sie nur begrenzte Techniken haben. Sie wenden eine bestimmte Technik an und sind nicht flexibel wenn es um ästhetische Ansprüche geht. Der Designer wird dann sagen: „Ich verstehe, aber es sieht nicht so aus wie ich es haben möchte.“ Und das Unternehmen antwortet: „Ja, aber wenn Sie diese Technik anwenden, ist das eben das, was sie bekommen.“ Daher fragt der Designer: „Haben sie noch eine andere Technik?“ und die Antwort ist häufig: „Nein.“ DHPH hat ein vollkommen anderes Verhältnis zu den Designern.

WC: Haben Sie schon immer mit den Händen gearbeitet? Haben Sie schon als Kind Dinge hergestellt oder hat sich diese Vorliebe erst später entwickelt?

BdH: Auf jeden Fall! Als ich klein war, habe ich ständig Dinge gebaut. Lego war meine erste große Liebe. Und ich liebe es immernoch. Ich war außerdem früh von Fahrrädern fasziniert, davon, zu lernen, wie man sie repariert und wie man die Reifen wechselt. Und ich habe mit Elektrizität gespielt. Meine Eltern haben mich ständig dabei ertappt, wie ich an etwas arbeitete als ich eigentlich schlafen sollte. Ich besitze auch heute noch eine Art Leidenschaft.

WC: Haben Ihre Eltern Sie ermutigt?

BdH: Ja. Von der Schule war ich nicht besonders begeistert, aber ich habe immer Dinge hergestellt. Mein Vater schlug vor, dass ich eine Berufsausbildung machen könnte, weil ich dort mit meinen Händen bauen und arbeiten würde. Er wusste, dass mich das glücklich machen würde. Wir gingen zu einem Tag der offenen Tür an einer Berufsschule, ich sah all die Schweißgeräte und dachte mir „Das wird Spaß machen.“

Ich lernte Schweißen und Metallarbeit und wurde schließlich Maschinenbauingenieur. Danach ging ich an die Universität, um Pädagogik zu studieren und spezialisierte mich auf Maschineneinweisung, Lernen am Arbeitsplatz und Teamarbeits-Psychologie.

Für mich ist der Herstellungsprozess wie das Mischpult eines DJs—man kann Töne höher stellen, tiefer oder verzerren. WC: Sie sind also gut dafür ausgebildet ein Produktionshaus zu leiten, Leuten zu zeigen, wie man Dinge macht und ein Unternehmen nach der Herstellung auszurichten?

BdH: Ich bin ausgebildet genug. [lacht] Es gibt einen großen Unterschied zwischen Büchern und der Realität…

WC: Wer war der erste Designer für den Sie gearbeitet haben?

BdH: Ich habe zwischen 2000 und 2004 für Piet Hein Eek gearbeitet. Ich war nur in seiner Metallwerkstatt tätig und habe alle möglichen Arbeiten mit Aluminium und Stahl ausgeführt. Es war gut, ich habe dort viel gelernt.

WC: Was zum Beispiel?

BdH: Ich habe gelernt, dass es um mehr geht als sich lediglich ein hübsches Produkt auszudenken und es dann herzustellen. Hinter der Produktionszeit steckt eine ganze Geschichte: ein Produkt muss innerhalb einer bestimmten Anzahl von Stunden produziert werden, ansonsten ist es nicht tragbar, weil es sich oberhalb eines bestimmten Preises nicht mehr verkauft. Und ich habe etwas über Konsequenzen gelernt: Ich habe wirklich Ärger bekommen, wenn ich nicht rechtzeitig da war oder etwas in der Produktion schief lief. Vor allem habe ich aber gelernt, wie viel Freude es bringt, etwas zu kreieren, das es vorher nicht gab. Es ist eine geniale Abfolge, die von der Idee über die Herstellung dahin führt, dass sich das Objekt bei jemandem zuhause befindet. 

WC: War Maarten [Baas] der erste Designer, mit dem Sie enger zusammengearbeitet haben, indem Sie halfen die beste Produktionstechnik zu finden?

BdH: Ja, auf jeden Fall. Wir haben 2004 angefangen. Wir haben uns zufällig über einen gemeinsamen Freund kennengelernt, der mir erzählte, dass Maarten nach Hilfe suchte. Zu der Zeit bereitete Maarten sich vor, um die Where There’s Smoke Serie für Murray Moss in New York herzustellen und er brauchte jemanden, der all seine Möbel verbrannte. Das klang für mich nach Spaß. Ich traf Maarten und wir schienen ein gutes Team abzugeben. Er zeigte mir die komplizierten Konservierungstechniken, die das Projekt enthielt, und dann verbrannte ich einen Stuhl. Ich war gut darin, also verbrannte ich noch mehr. Von da an entwickelten sich die Dinge. Ich räucherte ein ganzes Jahr lang, machte die Holzarbeiten für das Projekt und entwickelte einige technische Dinge. Ich habe es wirklich genossen mit Maarten zu arbeiten, weil seine Designsprache so einzigartig ist.

WC: Wie würden Sie Maartens Designsprache beschreiben? Können Sie diese in Worte fassen? Es ist schwierig, oder?

BdH: Ja, es ist schwierig, aber ich würde sagen, sie ist sehr spontan. Ich finde sie auf gewisse Weise naiv und sie ist sehr... Wie sagt man? Bedacht und durchdacht. Ich meine, es ist großartig, dass man etwas herstellen kann, dass so simpel aussieht, obwohl es das nicht ist. Ich finde es ist sehr kraftvoll, dass man etwas produzieren kann, wo alles Wesentliche da ist und alles Unwesentliche fehlt. Und bezüglich der Form weist das Stück immer eine Art Charakter auf. Anders als das, was man gewohnt ist. Es gibt nicht viele Produkte, die aus der Form entstehen und mein Herz zum Schlagen bringen. Maartens Arbeiten haben eine Seele. 

WC: Definitiv. Erzählen Sie mir ein wenig von ihrem Arbeitsraum auf dem Hof auf dem Land. Warum haben Sie diesen Standort gewählt?

BdH: Das andere Studio, das Maarten und ich in Eindhoven hatten, sollte abgerissen werden, also haben wir uns nach etwas anderem umgeschaut. Ich habe immer davon geträumt auf dem Land zu leben. Ich mag den Kontrast zwischen der hohen Dynamik im Studio und der langsamen, bodenständigen Geschwindigkeit außen. Ich arbeite gerne unglaublich hart, um anschließend mit dem Hund einen wunderschönen Spaziergang am Fluss zu machen. Das hilft mir dabei, die Dinge im Gleichgewicht zu halten und die Dinge so zu sehen, wie sie sind.

WC: Sie leben und arbeiten also an ein und demselben Ort?

BdH: Ich lebe hier in dem alten Bauernhaus und der ganze Rest ist Studio, Werkstatt und Lager.

WC: War der Bauernhof in einem guten Zustand als Sie eingezogen sind?

BdH: Naja, er war in keinem schlechten Zustand. Man konnte Kühe in den Stall stellen und auch die Abflüsse haben ihren Dienst erfüllt. Aber er konnte noch nicht als Werkstatt genutzt werden. Es gab kaum Strom, keine richtigen Böden und auch keine Heizung oder Isolierung. Im Grunde war er nur dazu geeignet, um Kühe und Werkzeuge unterzubringen, sonst nichts. Wir haben einige Jahre damit verbracht, zu renovieren.

WC: Bis letztes Jahr haben Sie nur mit Maarten gearbeitet. Wie kam es dazu, auch mit anderen Designern zu arbeiten?

BdH: Das ergab sich alles ziemlich natürlich. Ich lernte vor einiger Zeit Fabien [Dumas] kennen, er zeigte mir seine Tools Light und mir gefiel die Idee, eine Lampe aus Zollstöcken herzustellen. Wir sprachen eine ähnliche Sprache. Er hatte bereits den Prototypen, konnte aber keinen Hersteller finden. Ich sagte zu ihm: „Dieses Stück ist viel zu cool, als dass es nicht produziert wird.“ Und von da aus haben wir einen Weg gefunden. Das Gleiche passierte mit Bertjan [Pot] und seiner Downstairs Light. Als ich diese beiden Projekte und die fortlaufende Produktion von Maartens Arbeiten hatte, entschied ich mich, das DHPH Konzept 2012 nach Mailand zu bringen [für die Salone del Mobile]. Seitdem habe ich zusätzlich Projekte von Max Lipsey, Studios Nightshop und gt2P hinzugefügt.

WC: Welche Art von Projekten ziehen Sie an?

BdH: Ich mag Designs, die sehr direkt sind. Ich finde es großartig, wenn nichts zwischen dir und dem Stück steht – wenn man genau das bekommt, was man sieht. Wenn man sich zum Beispiel Maartens Clay Chairs anschaut, dann ist der Ton das einzige, das man sieht. Es ist direkt, lässt sich aber auch schwer einordnen. Man kann verbrannte Möbel und umgedrehte hängende Leitern mit Lichtern oder eine Lampe aus einer umgekehrten Diskokugel in keine Schublade stecken. Diese Sachen sind auf eine Art sehr offensichtlich und gleichzeitig überhaupt nicht offensichtlich.

Und ich finde, dass auch Real Time sehr kraftvoll ist. Das Konzept, eine funktionierende Uhr mit der Herangehensweise eines Filmemachers zu kreieren, ist wunderschön. Welche andere Uhr möchte man sich eine Stunde lang ansehen? Es ist beeindruckend, dass sich ein Designer solche Dinge ausdenken kann. Und ich darf mit Materialien und Techniken experimentieren und diese Ideen Realität werden lassen.

WC: Es klingt so, als würden Sie Ihre Arbeit wirklich genießen.

BdH: Ich liebe alle Arbeiten, die ich mache. Ich glaube, die DHPH Kollektion funktioniert als Kollektion, weil ich überzeugt bin, dass all diese Dinge wunderschön sind und es verdient haben, hergestellt zu werden. Sie haben alle etwas zu dem, was es in der Welt gibt, beizutragen. Warum sollte man sich im Leben mit hässlichen Dingen umgeben, wenn man sich stattdessen mit schönen Dingen umgeben kann, mit Dingen, die eine Seele haben? Gutes Design bedeutet für mich, dass das Objekt jedes Mal, wenn man es anschaut, etwas auslöst. Es wird mit der Zeit immer besser. Es bleibt einem im Kopf.

Ich finde, man muss etwas kreieren, dass so unglaublich schön ist, dass es niemand wegwerfen würde. Das ist das Nachhaltigste, was man machen kann. Das gleiche gilt für die eigene Energie. Wenn man seine Zeit damit verbringt, etwas herzustellen, sollte man etwas kreieren, das anders ist, etwas Vielschichtiges, das etwas zur Welt beiträgt.

WC: Zusätzlich zur Herstellung dieser Produkt-Kollektionen bekommen Sie Aufträge für ortsbezogene Installationen und kundenspezifische Einzelteile. Stimmt das?

BdH: Ja, wir ermutigen die Leute, mit ihren Ideen zu uns zu kommen, egal ob es sich um einen Designer handelt, der einen neuen Entwurf hat, oder einen Kunden, der eine besondere Version wünscht von dem, was wir herstellen. Wir haben individuelle Dinge für Wohnräume, Geschäfte, Institutionen und Events auf der ganzen Welt produziert– Tokyo, New York, Miami, Saõ Paulo. Momentan arbeite ich mit Maarten daran, wie man einige seiner Designideen in Architektur übersetzen könnte. Ich bin sehr gespannt, was daraus wird.

Ein Projekt, das ich irgendwann ausführen möchte, ist, eine Reihe von gt2Ps Vilu Light in einem Büro zu bauen und zu installieren, sodass 30 verschiedene Versionen der Leuchte über 30 verschiedenen Arbeitsplätzen hingen. Das Design ist reproduktiv und wird von einem Algorithmus produziert, jedes Stück ist einzigartig. Die Leuchten sehen aus wie Inseln, die aus dem Meer ragen. Jede Person im Büro hätte ihre eigene Form und Identität.

WC: Stichwort Identität: Worum handelt es sich bei den Holzschuhen, die Sie scheinbar ständig tragen?

BdH: [lacht] Naja, ich glaube es war so, dass ich angefangen habe sie zu tragen, als ein Nachbar seinen Schuppen entrümpelte. Außer mir wollte sie niemand, also nahm ich sie. Ich habe festgestellt, dass sie wunderbar gegen kalte Füße helfen, ein Problem, das ich häufig habe. Außerdem sind sie wirklich bequem und günstig. Sie sind also auf jeden Fall praktisch. Und sie passen zu meinem Traum davon, ein Landwirt zu sein und draußen zu leben. Mit den Jahren fingen die Leute an, mich an meinen Schuhen zu erkennen. Ungefähr so: „Hey, da sind Maarten und der Typ mit den Holzschuhen.“ Ich denke, es ist etwas seltsam, aber sie machen mich glücklich. Das ist für mich der Hauptgrund.

  • Einführung & Interview von

    • Wava Carpenter

      Wava Carpenter

      Seit ihrem Studium in Designgeschichte an der Parsons School of Design hatte Wava schon in vielen Bereichen der Designkultur den Hut auf: sie lehrte Designwissenschaft, kuratierte Ausstellungen, überwachte Auftragsarbeiten, organisierte Vorträge, schrieb Artikel und erledigte alle möglichen Aufgaben bei Design Miami. Wava lässt den Hut aber im Büro – auf der Straße bevorzugt sie ihre Sonnenbrille.
  • Übersetzung von

    • Annika Hüttmann

      Annika Hüttmann

      Annika ist umgeben von skandinavischem Design zwischen Norddeutschland und Südschweden aufgewachsen. Für ihr Literaturstudium zog sie nach Berlin und entdeckte dort ihre Leidenschaft für deutsche Vasen aus den 1950ern-70ern, von denen sie inzwischen mehr als 70 Stück besitzt.

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