Chris Chafin im Gespräch mit dem zurückhaltenden und sympathischen südafrikanischen Künstler Hylton Nel


Hylton der Exzentriker

Von Chris Chafin

Kürzlich an einem Samstagabend saß Künstler Hylton Nel in seinem Haus außerhalb von Kalitzdorp, einer Region im südafrikanischen Westkap. Er sah sich einen Promi-Mordprozess an und dachte über Bikinizonen nach. Genauer gesagt beschäftigte ihn eine Schale, an der er arbeitete. Sie war mit kleinen Figuren dekoriert und zeigte eine Frau, die lediglich „eine sogenannte brasilianische Rasur aufzeigte “, erklärte der Künstler. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr war er davon überzeugt, dass das Motiv keine gute Idee war.

„Wenn jemand beispielsweise etwas Schokolade in die Schale gibt und sie dann einem Freund anbietet und derjenige dann nach einem Stück Schokolade greift, das die Rasur bedeckt, so wird derjenige vielleicht denken: ‚Oh, das wollte ich nicht wirklich‘. Wenn ich ein Dreieck mit einer Schnur um die Hüfte hinzufüge, würde das vielleicht jeden zufrieden stellen.“

Nel, der dieses Jahr 73 geworden ist, ist für seine Arbeiten in Keramik und Design bekannt, die sich zwischen skurril, bezaubernd, leicht verwirrend und fröhlich vulgär bewegen. Seine Stücke, typischerweise Teller und Schalen, ab und an auch Figuren, sind mit einer Palette verschiedenster Subjekte dekoriert. Wiederkehrende Motive sind Katzen, nur teilweise bekleidete Frauen, Persönlichkeiten aus den Nachrichten (viele Figuren wurden in den letzten Jahren Barack Obama zugeordnet) und Stücke mit ironischem Witz, wie etwa ein Teller, der mit dem Bild einer gemalten Vase versehen ist, die wiederum mit einem jungen Pärchen bemalt ist, das etwas surreal wirkt, aber dennoch glücklich Händchen hält. Nel scheut auch nicht davor zurück, seine Keramiken mit einer Peniszeichnung zu versehen.

„Ich glaube nicht, dass es meine Absicht ist, lustig zu sein“, meint Nel zu mir. „Je nachdem wie die Pinselführung läuft, erhalten die Illustrationen zufällig entstandene Ausdrücke. Und dann denke ich, oh, das erinnert mich an dieses oder jenes. Im Nachhinein finde ich die Dinge witzig, aber nicht während ich sie produziere. Während ich sie produziere, denke ich hauptsächlich daran, einigermaßen gut zu zeichnen.“

Als alternder Commonwealth Gentleman hat Nel einen extrem trockenen Humor. So forderte er mich spielerisch heraus, als ich das Wort „diskret“ benutzte bis ich mir sicher war, dass ich wie ein Dummkopf klang. Ab und zu hatte er Schwierigkeiten mich zu verstehen, aber scheinbar nur dann, wenn ich etwas sagte, womit er nicht einverstanden war oder wenn er eine Äußerung belanglos fand. Dann sagte er in freundlichem Ton: „Tut mir leid, das habe ich nicht ganz verstanden.“ Später erzählte er von seiner Liebe zur chinesischen Kultur und ich fragte ihn, ob er mehr an der klassischen Kultur interessiert ist oder ob er sich für Künstler wie Ai Wei Wei interessiere. Nach einer langen Pause meinte er: „Ich kenne Ai Wei Wei, aber ich weiß nicht, ob ich mit ihm mithalten könnte.“

Nel ist ein klassisch ausgebildeter Künstler, der in den frühen 60er Jahren an Kunstschulen in Südafrika und in Europa studierte. Er probierte und verwarf viele Medien bevor er sich auf Keramik konzentrierte, insbesondere ihrer Bemalung. „Bei der Malerei war es für mich früher so, dass ich es sehr schwierig fand, zu wissen, wann ein Bild fertig war. Es sah für mich immer nach einer unfertigen Arbeit aus, an der ich immer weiterarbeitete. Mit Keramik habe ich dieses Gefühl aber nicht. Ich denke, es gibt Menschen, die ununterbrochen einen langen Zeitaufwand betreiben können, wie beispielsweise einen Roman zu schreiben. Ich habe kurze Energieschübe, die sich am sinnvollsten für unmittelbare Aktionen einsetzen lassen.“

Hylton Nel © Hylton Nel; Photo © Mario Todeschini. Courtesy of Stevenson, Cape Town and Johannesburg
Nel hat eine schwierige Beziehung zu seiner Arbeit. Viele Jahre lang verkaufte oder vernichtete er beinahe jedes seiner produzierten Stücke. „Oft gibt es eine Zeit der Euphorie“, meint er. „Dann denkt man, ah!, Das war toll. Das war wirklich toll. Und dann geht der Tag oder der halbe Tag oder der Morgen vorbei und man sieht sich sein Werk nochmals an und denkt sich oh mein Gott.“

Für diejenigen von uns, die Spaß an seinen gewitzte Respektlosigkeit haben, gibt der beinahe verspielte, bescheidene Künstler zu: „Ich habe mir beigebracht, nichts zu zerstören, bevor ich es nicht einige Monate in Ruhe lasse.“

Jahrzehntelang verkauft der Künstler sein Werk an ein entzücktes internationales Publikum. Heute versucht er, einiges zu behalten und betrachtet seine Arbeit mehr, wie andere es tun. „Einst stellte ich meine Werke auf den Markt und ließ sie einfach los. Aber dann besuchte ich Leute in ihrer Wohnung und dort gab es diese Sachen,“ - seine Sachen, meint er. „Und dann dachte ich, das ist aber schön. Wirklich schön. Diese Stücke sind alle einzigartig, Unikate. Und wenn man alle verkauft, hat man nichts mehr übrig. Man hat das Gefühl, nichts mehr produzieren zu können. Man denkt, oh Gott, jetzt sind sie alle weg und ich kann nichts mehr produzieren“, und dass er niemals wieder das exakte Objekt herstellen könne. Erst außerhalb seines Ateliers und ohne den Tunnelblick eines Künstlers wurde er damit konfrontiert, wie einzigartig und besonders sein Werk ist und so konnte Nel nicht widerstehen und startete seine eigene Kollektion. Für mich ist es nicht schwer zu erkennen, wieso. Aber es ist doch erfrischend, dass der Künstler selbst der Letzte ist, der sein eigenes Genie erkennt.

  • Text by

    • Chris Chafin

      Chris Chafin

      Chris is a Brooklyn-based writer who's contributed to publications like Rolling StoneWiredFast Company, and The Awl. He'd be flattered if you'd consider following him on Twitter